Auszug Zusatzbericht Auswertung: Fakten Lernen

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Warum kann der Gedächtnistest "Fakten lernen" gewertet werden?

  • Auch bei Fakten Lernen gibt es keine Hinweise auf bedeutsame Vorteile, es kann gewertet werden.
Mittelwerte (m) Standardabweichungen (s) und Personenzahl (n) "Fakten Lernen" für je 5 Klassen nach Punktwert und Punkten in 14 ungewerteten Aufgaben n.b.: Nicht berechnet, da nur 2 Personen - Zum Vergrössern klicken
Vergleich der Schwierigkeiten der einzelnen Aufgaben bei "Fakten lernen" für Extrem- und Vergleichsgruppe - Zum Vergrössern klicken
Signifikanzprüfungen der Unterschiede Fakten Lernen für Trainingsgruppe (Regression) und Vergleichsgruppe - Zum Vergrössern klicken

Es gab hier grosse Übereinstimmungen beim zu lernenden Material - allerdings auch Abweichungen. Die dazu in der Reproduktionsphase gestellten Fragen waren allerdings andere.

Ein kompletter Ausschluss dieser Aufgabengruppe würde zu einer grösseren Strukturänderung des EMS führen, weil dann nur noch "Figuren lernen" den Gedächtnisbereich repräsentieren würde. "Fakten lernen" ist traditionell auch eine vergleichsweise leichte Aufgabengruppe, wo viele Personen hohe Punktzahlen erzielen - auch bei komplett neuen Versionen. Insofern müssen bei einer Güterabwägung Argumente gegen eine Wertung schwerwiegend sein.

Die oben dargestellte Tatsache, dass es insgesamt wenige Personen gab, die von den Trainingskursen statistisch nachweisbar profitiert hat ist hier auch zu berücksichtigen, dennoch kann beim "Fakten Lernen" die Situation eine andere sein. Hier muss man noch etwas erwähnen, was im anonymen Brief angemerkt wurde: In solchen Trainingskursen werden sehr viele neue und nachempfundene Testversionen geübt. Es war zu dem Zeitpunkt nicht bekannt, welche Version wirklich in 2014 verwendet wird. Insofern konnte diese eine nicht speziell gelernt werden. Es wurde dann zwar bemerkt, dass diese Version schon einmal bearbeitet wurde - man "bereute" mehr, dass man diese nicht besser gelernt hat.

Alle empirischen Ergebnisse zeigen keine signifikanten Vorteile für Personen, denen das Material am wahrscheinlichsten bekannt war.

  • Die besten mittleren Leistungen bei "Fakten Lernen" haben nicht die Personen mit den höchsten Punktwerten in den nicht gewerteten Aufgaben (Personen differenziert in 5 Gruppen nach der Gesamtleistung, vgl. Tabelle rechts)[1]
  • Bildet man eine Extremgruppe „Training“ aus Personen mit mindestens 11 Punkten aus den 14 eliminierten Aufgaben, die gleichzeitig einen maximal durchschnittlichen Wert in der Gesamtpunktzahl des entsprechenden Faktors "Werkzeugfunktionen" (Aufgabengruppen Fakten lernen, Figuren lernen, Schlauchfiguren, Muster zuordnen und Konzentriertes und sorgfältiges Arbeiten) erzielt haben[2], so liegt diese auch bei einer Analyse der einzelnen Items dieser Aufgabengruppe wie erwartet fast durchwegs unterhalb der mittleren Lösungswahrscheinlichkeit aller übrigen Teilnehmenden (siehe Schwierigkeitsdiagramm rechts). Hier müssten sich bessere Leistungen der Extremgruppe zeigen, wenn sie profitiert hätte.
  • Die weiter oben erläuterte aufgrund einer Regressionsanalyse gebildete Trainingsgruppe mit der grössten Differenz der Erwartung in den ungewerten Aufgaben geschätzt aus den gewerteten Aufgaben zeigt ebenfalls keine signifikanten Unterschiede in den Punktwerten.[3].

Da sich keine Vorteile für Personengruppen nach möglicher Vorkenntnis nachweisen lassen (sondern in einer Analyse sogar Nachteile) ist die Wertung und Beibehaltung dieser Aufgabengruppe bei der Güterabwägung gerechtfertigt.[4].

Es gibt auch eine psychologische Erklärung, warum Personen mit "Vorkenntnissen" sogar etwas schlechter sind: Das Umlernen einer vorhandenen Lernliste ist in der Regel schwererer als das Neulernen. Man muss die Unterschiede ausserdem auch bemerken. Beim Abruf der gelernten Dinge kann es dann zu sogenannten proaktiven Interferenzen[5] zwischen ursprünglicher und veränderter Liste kommen, indem diese nicht ausreichend unterschieden werden können. Es kommt zur Beeinflussung bzw. Überlagerung von neu erworbenen Gedächtnisinhalten durch früher Gelerntes. [6] Die Vorgabe der ähnlichen Liste reduziert die Reproduktionsleistung der usprünglichen Liste. Underwood (1957) als einer der "Pioniere" der Forschung auf diesem Gebiet hat dies in dem Satz zusammengefasst "Je mehr {Ergänzung: und auch je intensiver} Listen vorher gelernt wurden, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, die neue Liste korrekt zu erinnern".[7] Danach haben Personen, die ähnliche Listen vorher gelernt haben, sogar Nachteile gegenüber Personen, die eine Liste neu lernen, was die Ergebnisse erklären würde.

Nachweise und Fussnoten

  1. Hier wird unterstellt, dass die vorherige Bekanntheit der Aufgaben zu besseren Leistungen geführt haben müsste, wenn der Trainingskurs überhaupt einen Effekt gehabt haben soll. Im Vorbereitungsreport_2014 wird gezeigt, dass diese Effekte offenbar insgesamt recht gering waren
  2. Auf diese Weise wird wieder eine Differenz innerhalb von Fähigkeitsbereichen gesucht, die aufgrund der gleichen Ladungsmuster in den Faktoren eher ähnlicher sind
  3. Die Bildung dieser Gruppe isst auch im Vorbereitungsreport_2014 erläutert
  4. Auch eine Nichtwertung dieser Aufgabengruppe wäre vorgeschlagen worden, wenn die Notwendigkeit dazu bestanden hätte. Die Zahl der verbleibenden Aufgaben wäre immer noch gross genug gewesen für eine zulassungsrelevante Rangreihe nach der Eignung. Das hätte dann sogar der Intention einiger entsprochen, den Faktor "Schlussfolgerndes Denken" im EMS generell höher zu gewichten - eine entsprechende Studie ist seit 2013 in Arbeit, die Gewichtungen sollen anhand der empirischen Prognosedaten geprüft und ggf. verändert werden.
  5. aus "Dorsch - Lexikon der Psychologie 2014: I. bezeichnet den störenden Einfluss eines Vorgangs auf einen anderen...
 In der Ps. des verbalen Lernens wird zwischen retroaktiver I. und proaktiver I. unterschieden. Wenn späteres Lernen die Reproduktion des früher Gelernten behindert, liegt retroaktive I. vor. Bei der proaktiven I. wird die Reproduktion des später Gelernten durch früheres Lernen gehemmt. Retroaktive I. und proaktive I. sind von der Ähnlichkeit der Lernstoffe des ersten und zweiten Lernens abhängig. Dies ist insbesondere. beim Paar-Assoziations-Lernen untersucht worden. Werden beim späteren Lernen dieselben Reize (Reiz) wie bei dem früheren Lernen verwendet (maximale Ähnlichkeit), aber mit ganz anderen Responses (response) verknüpft, so zeigt sich im Vergleich zu einer Kontrollbedingung eine verminderte Leistung bei der Reproduktion des früher Gelernten (retroaktive I.) und des später Gelernten (proaktive I.). Erklärt wurden derartige Phänomene mit der Interferenztheorie des Vergessens, die eine bedeutsame Rolle in der Ps. des verbalen Lernens gespielt hat.
  6. Dieses Prinzip wird in einigen Gedächtnistests benutzt, um diese Interferenzneigung zu messen, die ein Parameter für Stabilität der Gedächtnisprozesse ist, z.B. California Verbal Learning Test - Deutsche Adaptation von H. Niemann, W. Sturm, A.I.T. Thöne-Otto, K. Willmes: Hogrefe 2008. Hier werden 2 ähnliche Wortlisten vorgegeben und sind nach einem System mit und ohne Hilfe zu reproduzieren.
  7. siehe z.B. Folie 8 hier Lehrmaterial der FU Berlin. Umlernen ist in diesem Falle durch diese Interferenzen einem Neulernen ggf. unterlegen - auch weil die Aufgabengruppe leicht ist und hohe Punktzahlen auch durch Neulernen erreicht werden.